Gendern - Warum es sich lohnt, darüber nachzudenken

Ein aktuelles aber durchaus sehr umstrittenes Thema ist die Notwendigkeit und Nutzung der Gendersprache. Möglichkeiten der Aussprache und Schreibweise haben sich über die Jahre vielfältig entwickelt. So gibt es beispielsweise: Leser*innen, LeserInnen, Leserinnen & Leser und Lesende.

Die Motive und Meinungen zur Verwendung von Gendersprache sind sehr verschieden. Es gibt viel Kritik, z.B. dass unsere Sprache verschandelt werde, es zu kompliziert sei, und der wohl bekannteste Satz ist vermutlich: „… natürlich sind Mädchen & Frauen mitgemeint.“ Was ist mit den Menschen, die sich weder als männlich oder weiblich identifizieren? Und reicht es aus, bestimmte Gruppen „mitzumeinen“?

Wenn wir uns tiefer und intensiver mit Sprache als Spiegel unseres Denkens & Handelns und als Abbild unserer kulturellen Prägung auseinandersetzen wird deutlich, dass mit dem Zusatz „mitgemeint“ das Fehlende nicht vollständig integriert werden kann. Sprache drückt viel mehr aus als uns im ersten Schritt bewusst ist.

Sprache erzeugt Bilder in unseren Köpfen, stößt Gedankengänge an, sagt etwas über uns selbst und unsere gesellschaftliche Prägung aus, Sprache verbindet und grenzt aus.

Ich lade Sie - an einem Beispiel der Wissenschaftlerin Annabell Preussler - zu einem kleinen Sprachexperiment ein:

Ein Vater und sein Sohn sind mit dem Auto unterwegs und werden bei einem Unfall schwer verletzt. Der Vater stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus, der Sohn muss sofort operiert werden. Bei seinem Anblick erblasst der diensthabende Chirurg und sagt: „Ich kann ihn nicht operieren – das ist mein Sohn!“

Wer ist diese Person? Nehmen Sie sich einen Moment, um diese Frage zu beantworten. In Ihrem Kopf entstehen einzelne Bilder, die Sie nun versuchen logisch zusammen zu bringen.

Die Antwort lautet schlichtweg: Es ist die Mutter. Ich bin mir sicher, dieses innere Bild war nicht das erste in Ihrem Kopf. In den Köpfen von mir und meiner Familie gab es den Gedanken jedenfalls nicht. Stattdessen erlebten wir, wie die Nutzung der Sprache unsere Gedanken und Vorstellungen beeinflusst und dass wir keineswegs automatisch mitdenken, was möglicherweise fehlt.

Auch wenn gendergerechte Sprache in der Praxis schwer über die Lippen geht, so halte ich sie für einen grundsätzlich respektvollen, Vielfalt abbildenden und zu Offenheit und Toleranz bekennenden Gedanken. Ein guter Gedanke, wie ich finde. Ich denke wir sollten uns häufiger bemühen weniger „mitzumeinen“ und stattdessen mehr zu benennen, um alle Menschen gleichermaßen anzusprechen und zu erreichen.

 



Die Würde des Menschen ist unantastbar! - Ach echt?

Maren Haukes-Kammann

(Dipl. – Sozialwissenschaftlerin)

Frauenberatungsstelle IMPULS

 

In meiner täglichen Arbeit begegnen mir viele Fälle massiver häuslicher und sexualisierter Gewalt. Viele (Vor-) Fälle sind polizeilich nicht erfasst, da sie nicht angezeigt oder – gar nicht so selten – bisher niemandem erzählt worden sind.

Einige Mädchen und Frauen wagen den Schritt, diese Straftaten anzuzeigen.

Dann kommt plötzlich etwas in Gang, dass für die Betroffenen nicht mehr planbar ist und bleibt. Sie können nicht mehr selbstbestimmt agieren, sondern müssen ausschließlich auf Unbekanntes und Unvorhersehbares reagieren. Und das mit dem gesamten Belastungspaket, was eine derartige Straftat sowieso schon mit sich bringt.

Die Überschrift des weiteren Prozederes lautet: „Im Zweifel für den Angeklagten“, aber was ist mit den Betroffenen? Welche Aspekte der Re-Traumatisierung ein derartiges Verfahren für Betroffene mit sich bringt, spielt im juristischen Prozedere nicht die Hauptrolle.

Die Wirklichkeit in der Arbeit mit Betroffenen ist folgende:

Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit finden bei Erwachsenen kaum statt. Diesen fehlenden Opferschutz nutzen Freunde, Bekannte, Verwandte des Täters aus, um – offiziell als Zuschauer, inoffiziell mit dem Vorsatz der Verunsicherung des Opfers – am gesamten Prozess teilzunehmen. Welche Macht der nonverbalen Kommunikation und Machtdemonstration steckt in dieser Aktion, ohne dass sie auch nur im Ansatz kritisch betrachtet wird?

Das Gruppenvergewaltigungsvideo wird im Verhandlungssaal gezeigt, möglicherweise sind die Eltern des Opfers anwesend. Auch wenn das Opfer selbst nicht anwesend ist, erfährt es eine weitere unfassbare Demütigung und Erniedrigung – und gedanklich anwesend ist es auf jeden Fall.

Geht es um die Aussage des Opfers, wird das bestehende Scham- und Schuldgefühl von der Gegenseite genutzt, jede Unsicherheit und Widersprüchlichkeit ausgeschlachtet. Aus traumatherapeutischer Sicht sind Erinnerungslücken und damit automatisch auch Widersprüchlichkeiten ganz normale Reaktionen auf derart belastende Ereignisse.

Im Sinne der Betroffenen ist schnelle und professionelle Hilfe gefragt. Der Beginn einer Therapie ist für die Dauer des Strafverfahrens allerdings nachteilig, da therapeutische Interventionen die Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit beeinflussen können. Zudem wirken scheinbar stabilisierte Opfer nicht authentisch genug. Eigentlich unfassbar!

 

Am Ende bleiben Urteile zurück, die nicht selten lauten: Verfahrenseinstellung, Bewährungsstrafen, Sozialstunden, sexualtherapeutischen Einheiten für den Täter...

 

Was bleibt für die Betroffenen? Re-Traumatisierung durch das Verfahren, alptraumbelastete Nächte, permanente Trigger-Situationen, Kontaktabbrüche, Vertrauensverlust, Beziehungsschwierigkeiten…

Die Pflege der verletzten Seele und der ziemlich angetasteten Würde bleibt eine schwierige Lebensaufgabe.

 



Kolumne:

„Mit Body Positivity in den Sommer“

 

Maren Haukes-Kammann (Dipl.- Sozialwissenschaftlerin)

Frauenberatungsstelle IMPULS

 

Ein Lied von Emma Fitzgerald startet mit den Zeilen:

„Summertime and the livin' is easy…“

 

Eigentlich ist jetzt die Zeit, um die Hüllen fallen zu lassen, sich bequem, luftig und knapp zu kleiden, die Sonne und das leichte Lebensgefühl zu genießen. Die Lust nach sonnenbaden, schwimmen, sich draußen bewegen steigt.

Aber wie „easy“ ist die „Summertime“ tatsächlich?

Wie frei und unbeschwert fühlen wir Mädchen & Frauen uns in und mit unseren Körpern?

 

Die sogenannten Frauen-Zeitschriften sind wieder einmal voll von Themen wie: FIT statt FETT, Die Sommerdiät, Beach Body in nur 4 Tagen, … Model-Casting-Shows haben uns nochmal vor Augen geführt, welche Maßstäbe gelten.

Fast überall im alltäglichen Leben wird uns suggeriert, nur wer wohl proportioniert, enthaart, leicht sonnengebräunt, top frisiert ist und dabei noch über einen ebenmäßigen Teint verfügt, darf sich und seinen Körper zeigen.

Wer aus dem Raster fällt, wird sowohl live als auch virtuell beurteilt, beschimpft und beschämt. Die Anonymität im Netz lässt die Hemmschwelle und das Niveau im Miteinander noch weiter schrumpfen.

Bodyshaming ist weit verbreitet und gesellschaftlich toleriert. Dabei lässt es das Körper- und Selbstbewusstsein schrumpfen, fördert Selbstzweifel & Isolation und schädigt nachhaltig die psychische Gesundheit.

Wir sollten uns fragen, in welchem Rahmen wir selbst den Erhalt von Bodyshaming fördern oder zumindest nichts dagegen unternehmen?

Wo begegnen wir anderen mit einem abfälligen Blick, einem gehässigen Lächeln oder verletzenden Kommentaren? Wie gehen wir mit uns selbst und unseren Liebsten um? Welche Werte leben wir unseren Kindern vor und beeinflussen sie damit bewusst und unbewusst?

 

Ich frage mich, warum es nicht schön sein kann, ein bisschen unperfekt aber authentisch zu sein? Ein vermeintliches Manko verleiht eben auch Individualität. Das echte Leben macht Pickel, Fältchen, Pigmentflecken, lichtes & graues Haar, Orangenhaut, Krampfadern, Schwangerschaftsstreifen, große, kleine, dicke, dünne Körper…

Die Realität ist bunt und vielfältig. Wir sind mehr als eine Körper-Hülle. Unsere Hüllen sind gefüllt mit wundervollen Persönlichkeitsmerkmalen, Fähigkeiten & Stärken, machen uns zu einzigartigen Menschen und damit zu schönen Frauen & Mädchen. Macht euch auf die Suche nach eurer individuellen Schönheit. Ich wünsche euch eine schöne und unbeschwerte Sommerzeit, Mädels!

 



Ein bisschen mehr Feminismus bitte!

Für viele Mädchen & Frauen ist Feminismus ein Wort, dass ihnen nur schwer über die Lippen geht und zudem noch negativ behaftet scheint. Wir haben gleich Vorurteile, Bilder und Assoziationen im Kopf - vielleicht denken wir an Begriffe wie: „Kampf-Emanze“ oder „Männer-Hasserin“ - mit denen wir uns nicht identifizieren können und wollen.

Aber was verbirgt sich hinter diesem so vielfältig interpretierten Begriff?

Feminismus setzt sich gleichermaßen auf sozialer wie gesellschaftspolitischer Ebene kritisch mit Geschlechterrollen, Gleichberechtigung, Menschenrechten und nicht zuletzt Sexismus auseinander und stellt damit auch unsere heutigen Lebensmodelle auf den Prüfstand.

Im Dialog mit anderen wird deutlich, dass viele Mädchen und Frauen sich auf den ersten Blick nicht sonderlich benachteiligt erleben. Uns wird auch immer suggeriert, dass vieles möglich ist – schließlich haben wir eine Kanzlerin!

Lassen wir uns tiefer auf das Thema ein, wird fast immer deutlich, dass doch viele Fragen und Unsicherheiten durch unsere Köpfe schwirren, z.B. …

  • Immer mehr junge Frauen machen einen guten Schul- und/ oder Studienabschluss, bilden und qualifizieren sich weiter, erweitern persönliche, soziale, berufliche Kompetenzen. Aber wo sind sie in der Arbeitswelt vertreten?
  • Wie wählen Frauen und Männer ihre Berufe aus? Warum gibt es Arbeitsbereiche, in denen immer noch eine klassische Rollenverteilung herrscht?
  • Wie gleichberechtigt sind wir Frauen, wenn es um gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit geht?
  • Wer besetzt wichtige Positionen in den Chefetagen und Führungsebenen? Und wo sind da die Mütter?
  • Wer nimmt den überwiegenden Teil der Elternzeit und arbeitet danach viele Jahre – wenn überhaupt – in Teilzeit?
  • Wie zufrieden sind wir Frauen mit uns selbst, beim ständigen Streben nach innerlicher & äußerlicher Perfektion?
  • Welches Bild von Weiblichkeit prägt unsere Gesellschaft?

 

Wenn wir nicht selbst diese Themen präsent halten, wer tut es dann?

Ein bisschen mehr MUT zum FEMINISMUS!

 

https://rp-online.de/nrw/staedte/kleve/familie-kreis-kleve/frauenkolumne-ein-bisschen-mehr-feminismus-bitte_aid-47945277